Montag, 1. Juli 2013

Wir sind das Volk, wir sind der Verein

Hier ein russischer Oligarch, da ein arabischer Öl-Milliardär, dort eine Investorengruppe aus Katar. Manchmal hat man den Eindruck, die halbe englische Premier League ist mittlerweile Spielzeug irgendwelcher reichen Männer, die halt auch nicht mehr so richtig wissen wohin mit dem ganzen Geld. Das Mutterland des Fußballs kann aber auch anders. Beim Ebbsfleet United FC bestimmen die Fans. Hier hat sie begonnen, die Revolution.

Hält das Internet endlich, was es immer versprochen hat?

Endlich. Das, was das Internet immer versprochen hat. "100 Prozent Demokratie", damit warb 2007 der Ebbsfleet United FC. Ein Jahresbeitrag von 46 Euro und schon kann man via Internet mitbestimmen über Trikotdesign, Spielertransfers, Strategie und Aufstellung - der basisdemokratischste Fußballverein der Welt. Und das kam an. Über 32.000 Fußballfans aus 70 Ländern meldeten sich 2007 auf der Online-Plattform myfootballclub.co.uk an, um bei Ebbsfleet United mitentscheiden zu dürfen. Knapp 1 Million Euro kamen so für den Club aus Ostlondon zusammen. Das Ziel der Macher: 50.000 Mitglieder und irgendwann in der Premier League gegen Clubs Chelsea FC oder Manchester City zeigen, dass Fußball eben doch kein Kommerz ist.


Nein, tut es nicht

Im zweiten Jahr dann die Ernüchterung. Viele User verlängerten ihre Mitgliedschaft nicht, die Mitgliederzahl sank innerhalb von zwei Jahren von über 30.000 auf gerade einmal 9.000. Im September 2010 wollten dann nur noch 3.500 Fans über die Geschicke des ersten basisdemokratischen Vereins der Welt bestimmen. Statt den traditionellen Auswärtsfarben schwarz-gelb entschieden sich für violette Auswärtstrikots.

Durch den Mitgliederschwund fehlte dem Verein Geld. 2011/2012 stand der Ebbsfleet United FC kurz vor der Insolvenz. Sponsoren retteten den Club vor dem finanziellen Ruin, der nach wie vor in der fünften englischen Liga spielte - der Traum von der Premier League oder zumindest der zweiten englischen Liga war da schon längst ausgeträumt.
Und dann, 2013 passierte es doch. Ebbsfleet United wurde übernommen - von einer Investorengruppe aus Kuwait.

Dass Fanpatizipation allerdings auch Erfolg haben kann, das beweist der Murciélagos FC aus Mexiko. Wieso das basisdemokratische Vereinsmodell dort funktioniert, lest Ihr nächste Woche an dieser Stelle.





Samstag, 15. Juni 2013

Schiri, Wechsel!

Wenn man so als Fußballfan vor dem Fernseher sitzt, dann erwischt man sich bei wiederholt schlechten Aktionen eines Spielers der Mannschaft, die man anfeuert, oft bei einem Zwiegespräch mit dem TV-Gerät. Der Wortlaut dieses sehr einseitigen Gesprächs varriert zwar je nach Aggressionspotential, das das Spiel bis dahin geboten hat, seine Essenz ist aber so gut wie immer diese:
Der Trainer sollte den Spieler dringendst auswechseln und wieso er das bis jetzt noch nicht gemacht hat entbehrt dem fachkundigen Fußballfan jedweder logischen Erklärung. 

Wechselt der Trainer den fraglichen Spieler dann irgendwann zu einem späteren Zeitpunkt, darf sich der Fußballfan freuen, dass seiner Bitte jetzt endlich (wenn auch verspätet) nachgekommen wurde und sich in dem Glauben wiegen, doch mehr Ahnung vom Fußball zu haben als derjenige, der da im Fernsehen auf der Bank sitzt. Man hätte ja auch locker hochbezahlter Profi-Trainer werden können, wenn man denn nur gewollt hätte.
Wechselt der Trainer den fraglichen Spieler nicht aus und dieser überzeugt dann doch noch mit guten Aktionen oder schießt vielleicht sogar noch ein Tor, dann wird das so elegant wie beharrlich totgeschwiegen. Für solche Entscheidungen ist der Typ, der da auf der Band sitzt, ja hochbezahlt.

Es ist also vielleicht ganz gut, dass jemand diese Entscheidungen trifft, der sich damit auskennt und nicht der Fan auf dem Sofa Zuhause. Oder etwa doch nicht? Ist der Fan manchmal doch klüger? Objektiver? Entscheidungsfreudiger?
Und wie sieht es mit der vielgepriesenen Schwarmintelligenz aus? Wenn Hunderte, Tausend Fans dafür sind, einen Spieler auszuwechseln  - müsste da dann nicht etwas dran sein?
Also: Bevor der Trainer ständig von den Fans kritisiert wird - wieso dann nicht gleich die Fans zum Trainer machen?

In diese Kerbe schlagen momentan einige Projekte im Amateur- und sogar im Profifußball. Sie lassen die Fans entscheiden. Über Aufstellung, Auswechslung, Transfers und vieles mehr. Mit unterschiedlichem Erfolg.

Dieser Blog handelt von solchen Projekten und wirft einen Blick darauf, wie sie funktionieren, wo die Stärken und Schwächen liegen und was das Ganze überhaupt soll. Denn eins ist ja eigentlich klar: "Trainer ist kein Idiot." Oder etwa doch?